27
Es gibt eine natürliche Kompatibilität zwischen unseren Kulturen, finden Sie nicht auch? Sowohl Ihre nomadischen Waykus als auch meine Jongleurs sind eingefleischte Weltraumreisende, und in gewisser Weise sind wir alle darstellende Künstler – meine Leute präsentieren spektakuläre Vorführungen, während Ihre so effizient arbeiten, dass die Passagiere kaum bemerken, dass sie bedient werden.
Rheinvar der Großartige, aus einem Brief an seinen Freund, den Wayku Ennzyn
Als die Passagierfähre die Jongleurtruppe auf Chusuk absetzte, drängte sich Bronso dichter an Paul. Er brannte darauf, alle Einzelheiten auf einmal in sich aufzunehmen. »Das Leben eines Jongleurs ist so abwechslungsreich! Wenn wir bei Rheinvars Truppe bleiben, sehen wir jede Woche einen neuen Planeten!«
»Wir haben uns gerade erst der Truppe angeschlossen.« Sie hatten noch nicht einmal die anderen Artisten kennengelernt. Trotzdem war Paul froh, dass sein Freund sich wieder für etwas begeistern konnte, weil er in den letzten Wochen sehr verbittert gewesen war.
»Ja, aber wir sind auf Chusuk!«
Über diesen Planeten, der für seine Balisets berühmt war, hatte Gurney Halleck viele Geschichten erzählt und viele Lieder gesungen. Paul bezweifelte, dass Gurney jemals hier gewesen war, obwohl er wie ein Kenner darüber sprach. Als Paul an den großen, kräftigen Mann dachte, verspürte er Heimweh nach Caladan. Er war davon überzeugt, dass seine Eltern sich große Sorgen um ihn machten, auch wenn er hoffte, dass sie auf den Einfallsreichtum ihres Sohnes vertrauten. Vielleicht fand er doch noch eine Möglichkeit, wenigstens eine beruhigende Nachricht nach Hause zu schicken, solange er darin nicht zu viel offenbarte ...
Rheinvar kam in seinem glitzernden weißen Anzug herbeigeschlendert. »Ihr beiden werdet euch euren Lebensunterhalt verdienen müssen. Wenn ich Ennzyn einen Gefallen tue, heißt das nicht, dass meine Großzügigkeit grenzenlos ist.«
»Ich wollte schon immer mit Jongleurs arbeiten«, sagte Bronso.
Der Anführer der Truppe stieß ein lautes Schnaufen aus. »Ihr habt überhaupt keine Ahnung von den Jongleurs. Gerüchte, übertriebene Geschichten, Aberglaube – ha! Ich wette, ihr glaubt, wir seien Zauberer, die in den Hügeln leben und Telepathie benutzen, um das Publikum zu beeinflussen.«
»Genau. Und Ihre Vorführungen sind emotional so intensiv, dass Zuschauer daran sterben können.«
»Das wäre nicht besonders hilfreich, um das Publikum zum Wiederkommen zu bewegen. Das sind alles nur Lügengeschichten und Gerüchte, absurde Übertreibungen. Wir sind professionelle Darsteller, Akrobaten, Entertainer.« Rheinvar beugte sich näher heran, und seine Augen funkelten. »Die mächtigen Fähigkeiten, die du erwähnt hast, werden nur von Meister-Jongleurs eingesetzt.«
»Und Sie sind ein Meister-Jongleur?«, fragte Paul.
»Natürlich! Aber es würde gegen die Gesetze des Imperiums verstoßen, wenn ich meine Fähigkeiten benutzen würde.« Paul war sich nicht sicher, ob er es ernst meinte oder nicht. »Vor Urzeiten gründete das Haus Jongleur eine altehrwürdige Schule des Geschichtenerzählens, wobei geschickte Darstellungskunst und dramatische Effekte zum Einsatz kamen ... aber einige von uns hatten eine zusätzliche Gabe, mentale Fähigkeiten, die uns erlaubten, in anderen bestimmte Emotionen auszulösen – selbstverständlich nur zu Unterhaltungszwecken –, um das Erlebnis zu verstärken und Furcht, Sehnsucht und Aufregung zu steigern.«
Er stieß ein dröhnendes Lachen aus. »Zumindest heißt es in den Geschichten so. Meine Leute vom Planeten Jongleur waren einst die besten Troubadoure des Imperiums. Wir reisten von Haus zu Haus und unterhielten die großen Familien, doch einige Meister-Jongleurs begingen den Fehler, sich in Fehden zwischen verschiedenen Häusern verwickeln zu lassen. Sie spionierten und taten andere Dinge ... und seitdem werden wir vom Landsraad gemieden.« Rheinvars Augen funkelten verspielt. »Und manche sagen, weil wir in Ungnade gefallen sind, gibt es heute keine wahren Meister-Jongleurs mehr.«
»Aber Sie haben gerade gesagt, dass Sie selbst einer sind!«, warf Paul ein.
»Glaubst du etwa alles, was ich sage? Gut! In Wirklichkeit glaube ich, dass das Publikum nur kommt, weil es hofft, dass ich mit übernatürlichen Kräften arbeite.«
»Und? Tun Sie es wirklich?«, fragte Bronso.
Rheinvar wackelte mit einem Finger. »Die wichtigste Regel, die ihr lernen müsst, ist die, dass ein Unterhalter niemals seine Geheimnisse offenbart.«
Die anderen Mitglieder der Truppe gingen über das Landefeld von Chusuk, und Rheinvar scheuchte die Jungen hinterher. »Genug Geschichten! Ich hoffe, ihr beiden seid zu mehr imstande, als Platz wegzunehmen und Luft zu atmen. Kümmert euch um die Vögel und Echsen, schleppt Kisten, baut auf, baut ab, räumt auf, macht Botengänge und erledigt die Schmutzarbeit, auf die kein anderer Lust hat.«
»Wir werden unsere Arbeit machen, Herr«, sagte Paul. »Wir sind keine Faulpelze.«
»Beweist es. Wenn ihr selber nichts findet, was zu tun ist, seid ihr entweder blind, unfähig oder dumm.« Er stapfte die Rampe hinunter und wirkte schon jetzt wie ein großer Unterhaltungskünstler. »Ich gehe, um den Aufführungsort vorzubereiten. Morgen früh fangen wir mit den Proben für unsere Vorstellungen an.«
Mit erstaunlichem Tempo machte sich die Truppe daran, die Bühne im größten verfügbaren Theater von Sonance, der Hauptstadt von Chusuk, aufzubauen, auszustatten, mit Energie zu versorgen und einzurichten. Die Darsteller, Bühnenarbeiter und Handlanger – es fiel Paul schwer, sie auseinanderzuhalten – arbeiteten zusammen wie die bestens aufeinander abgestimmten Einzelteile einer ixianischen Uhr. Er und Bronso gaben sich alle Mühe, zu helfen und dabei niemandem im Weg zu stehen.
Rheinvar der Großartige machte unterdessen Werbung für die Vorstellung, indem er in die Stadt ging, um sich mit Vertretern der Familienverbände zu treffen. Er hatte ein paar der Tänzer mitgenommen, die eine Kostprobe komplizierterer Schrittfolgen gaben.
Paul und Bronso erledigten ihre Arbeit ohne Klagen. Sie fütterten die Tiere, reinigten die Ausrüstung oder halfen mit, Dinge an die richtige Stelle zu tragen. Doch bei jeder Gelegenheit blickten sie unruhig auf die Stadt, die sie unbedingt erkunden wollten.
Als die Arbeiten langsam weniger hektisch wurden, kam einer der Darsteller zu den Jungen, ein schlanker junger Mann in schwarzen Hosen und Bluse. »Ich muss etwas in Sonance erledigen, und ihr beiden dürft mich gern begleiten.« Er lächelte ihnen zu. »Ich heiße Sielto, und meine Aufgabe ist es, die hiesigen Führungspersönlichkeiten zu beobachten, um an spezielle Informationen zu gelangen, die wir für die Show verwenden können.«
Bronso und Paul mussten sich nicht erst beraten, ob sie zusagen wollten. Sie verließen das Lager der Jongleurs und machten sich auf den Weg nach Sonance. Dort gingen sie schmale Straßen entlang, die von Geschäften gesäumt wurden, in denen Kunsthandwerker dünne Streifen aus goldenem Harmonieholz bearbeiteten. Die Handwerker glätteten, schnitten und laminierten die Schichten in anmutigen, mathematisch exakten Bögen und perfekten Formen. Ihr Begleiter gab eine trockene Erklärung ab: »Harmonieholz stammt von einem bestimmten Krüppelbaum, der auf dem windigen Hochland wächst. Dieses Holz ist der Schlüssel für die außergewöhnlichen Klangeigenschaften der Balisets von Chusuk.«
Während sie von Geschäft zu Geschäft weiterzogen, blickten die Handwerker von ihren Werkbänken zu ihnen auf. In der Luft lag der Geruch nach Lack, Farbe und Sägemehl. Sobald die Handwerker bemerkten, dass sie sich nur aus Neugier umschauten und keine potenziellen Kunden waren, wandten sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Während die Bäume heranwachsen«, fuhr Sielto fort, »wird das Harmonieholz mit winzigen Bohrkäfern geimpft, die Wabenmuster im Holz hinterlassen. Kein Baum ist wie der andere, also gibt es auch keine zwei Balisets, die gleich klingen. Dieses besondere Holz verleiht den Instrumenten von Chusuk ihren lieblichen und vollen, resonanzreichen Klang.« Er wies sie auf verschiedene Wappen, farbliche Abstufungen und unterschiedliche Modelle hin, die vor den Handwerksgeschäften ausgestellt waren. »Jeder Familienverband züchtet seine eigenen Bäume.«
»Es ist aber nicht sehr innovativ, wenn sie immer wieder die gleichen alten Methoden benutzen«, sagte Bronso. Er beugte sich über einen Korb mit polierten Multiplektren für die Balisets. Der Geschäftsinhaber beobachtete sie aufmerksam und misstrauisch.
Immer noch zufrieden lächelnd, blickte sich Sielto in der Ladenstraße um. »Wahrscheinlich bemerkt ihr nichts davon, aber dieser Geschäftszweig ist von großen Umwälzungen betroffen. Zum Beispiel hat der Ollic-Verband vor kurzem eine Methode entwickelt, synthetisches Harmonieholz herzustellen, was den Traditionalisten ein Dorn im Auge ist. Viele der neuen Baumplantagen wurden durch Brandstiftung vernichtet.« Er sah sich vorsichtig um, als würde er damit rechnen, dass ein aufgebrachter Mob aus den Gassen auftauchte.
»Aber was ist so besonders an diesen Bäumen, und warum sollte jemand daran interessiert sein, sie niederzubrennen?«, fragte Paul.
»Noch vor wenigen Jahren waren die Ollics eine der unbedeutenderen Familien unter den Harmonieholzzüchtern. Sie hatten besonders schwer zu kämpfen, bis der Patriarch, Ombar Ollic, sich auf ein wagemutiges Geschäft einließ, mit dem er alle anderen Familienverbände von Chusuk vor den Kopf stieß. Er beauftragte die Tleilaxu, seine Bäume genetisch zu verändern. Das Wachstum des Holzes wurde um das Zehnfache beschleunigt. Und dank der Genmanipulationen der Tleilaxu haben die Klonholzbäume nun von Natur aus ein Wabenmuster, so dass die zeitaufwendigen Bohrkäfer überflüssig geworden sind.«
Als ihm auffiel, dass der Geschäftsinhaber ihnen etwas zu viel Aufmerksamkeit schenkte, führte Sielto die Jungen wieder auf die Straße. »Viele objektive Kritiker sagen, dass Balisets aus Klonholz sogar noch schöner als die Originale klingen, was die Puristen natürlich verärgert. Deshalb wollen die anderen Familien den Ollic-Verband von der Bildfläche verschwinden lassen.«
Trotz seiner tief verwurzelten Antipathie gegenüber den Tleilaxu, die Ix großen Schaden zugefügt hatten, reagierte Bronso überrascht oder gar empört. »Aber jeder, der Produktionsmethoden verbessert, hat es doch verdient, geschäftlich zu expandieren!«
»Du denkst wie ein Ixianer. Auch deine Sprechweise deutet darauf hin, dass du von Ix stammst. Habe ich Recht?« Sielto schien ihm mehr Informationen entlocken zu wollen, aber Bronso wich einer Antwort aus. Er wandte sich an Paul. »Und du? Deine Heimatwelt konnte ich noch nicht bestimmen, obwohl ich sie auf eine Reihe von Möglichkeiten eingeschränkt habe.«
Paul lächelte gelassen. »Wir sind Weltraumnomaden, ganz ähnlich wie die Waykus oder die Jongleurs.« Seit Jahren hatten seine Lehrer ihm eingetrichtert, Konsequenzen zu verstehen, und die Verwicklungen von Wirtschaft, Politik, Bündnissen und Handel erklärt – alles, was ein künftiger Herzog wissen musste. »Wenn das Klonholz der Ollics genauso klingt und schneller wächst, kann diese Familie ihren Gewinn auf Kosten der anderen Verbände steigern. Kein Wunder, dass die konkurrierenden Familien sie so sehr hassen und ihre Plantagen in Brand gesetzt haben.«
»Der Fortschritt lässt sich nicht durch ein paar Brandstifter aufhalten«, sagte Bronso und blähte empört die Nasenflügel. »Wenn das künstliche Klonholz besser, schneller und billiger produziert werden kann, warum ziehen die anderen Familien dann nicht einfach nach, damit sie wieder konkurrenzfähig sind?«
»Vielleicht sollten sie das tun ... aber sie werden es nicht tun. Dazu sind sie viel zu stolz.«
Am folgenden Tag standen Paul und Bronso kurz vor Mittag neben Rheinvar in einem Flügel des vergoldeten Theaters, wo die ersten Proben stattfinden sollten. An der gewölbten Decke waren farbenfrohe Tänzer, Schauspieler und maskierte Artisten in kunstvollen Fresken dargestellt.
Der Anführer der Jongleurs hatte einen angemessenen Zeitpunkt für den Beginn der großen Vorstellung vereinbart, doch zuvor musste die Truppe alles einstudieren. Jeder Planet wies andere Bedingungen auf, was Schwerkraft, Lichtverhältnisse und die atmosphärische Zusammensetzung betraf.
Mit skeptischem Blick beobachtete Rheinvar eine Gruppe von Tänzern, die auf der Bühne anmutige, athletische Bewegungen ausführten. Die Musik hatte einen schnellen, mitreißenden Rhythmus und überwältigende Harmonien. Über ihnen hingen zwei riesige Gorun-Vögel mit breiten und mächtigen Flügeln, die sich an Suspensorstangen festhielten.
Obwohl es nur eine Probe war, hatte Rheinvar eine kleine Menge von Neugierigen als Zuschauer zugelassen. »Was sie weitererzählen, ist besser als jede Werbung, die ich hinausposaunen kann«, sagte er zu Paul.
Bronsos Augen funkelten, als er das ausgeklügelte Programm der Tänzer in sich aufnahm. Alle trugen hellblaue Trikots und auf den Köpfen Federbüsche in den verschiedensten Farben. Ein Dutzend Tänzer – zehn Männer und zwei Frauen – vollführten Rückwärtssaltos und hohe Luftsprünge, und genau im richtigen Moment breiteten die Gorun-Vögel die Flügel aus, damit die Tänzer sicher landen konnten. Im nächsten Moment erhoben sich die gewaltigen Vögel mit langsamen Flügelschlägen in die Luft, und sechs Tänzer hockten wagemutig auf ihnen. Sie flogen einen Bogen durch das Theater und landeten schließlich wieder auf der Bühne. Dort verbeugten sie sich, während lauter Jubel von den Zuschauern kam.
Als sich die Artisten hinter die Kulissen zurückzogen, winkte Rheinvar einem schlanken Tänzer mit rotem Federbusch, der sofort herbeigeeilt kam. »Ausgezeichnete Vorstellung. Hast du schon unsere neuen Handlanger kennengelernt?«
»Natürlich.« Der Mann nahm den Federbusch ab, unter dem eine Glatze zum Vorschein kam, die vor Schweiß glänzte. Er kam Paul irgendwie bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, ihn unter den Arbeitern bemerkt zu haben, die die Bühne aufgebaut hatten. »Wie könnte ich die beiden vergessen? Schließlich bleiben ihre Gesichtszüge immer gleich.«
Rheinvar zwinkerte dem Mann zu, dann führte er ihn und die Jungen hinter die Bühne. Sobald sie außer Sichtweite der Zuschauer waren, veränderten sich die Gesichtszüge des Tänzers. Muskeln verschoben sich zuckend, und selbst die Knochenstruktur gestaltete sich um. Pauls Augen wurden immer größer, als aus dem Artisten plötzlich Sielto wurde.
Dann änderte sich erneut sein Aussehen, und er hatte das Gesicht von jemandem, den Paul bei der gemeinschaftlichen Mahlzeit am Abend zuvor gesehen hatte. Eine weitere Veränderung, und er war wieder der schlanke Mann, der soeben auf der Bühne aufgetreten war. »Wie ihr seht, bin ich viel mehr als ein Darsteller, der eine andere Rolle spielt – ich bin ein Gestaltwandler.«
Paul hatte bereits von diesen exotischen Mimen gehört, und nun erinnerte er sich, dass Schauspielertruppen häufig mit Gestaltwandlern arbeiteten.
»Ein Gestaltwandler der Tleilaxu«, sagte Bronso mit einem grollenden Unterton, doch er konnte die Gründe für seine Verachtung für dieses Volk nicht ansprechen, ohne seine Verbindung zum Haus Vernius zu offenbaren.
Sielto nahm es ihm nicht übel. »Gibt es noch andere?« Er deutete auf die anderen Artisten hinter der Bühne, die nun ganz anders als während der Vorführung aussahen. »Fast alle in dieser Truppe sind Gestaltwandler.«
Rheinvar klopfte sich imaginären Staub vom Zylinder und setzte ihn wieder auf. »Es gefällt dem Publikum, wenn die Darsteller plötzlich wie politische Figuren oder bekannte Helden aussehen.«
»Und unser Meister-Jongleur beherrscht noch ganz andere Tricks.« Sielto verzog das Gesicht zu einer komischen Grimasse. »Setzt euch für die nächste Probevorführung in den Zuschauerraum, meine jungen Handlanger. Rheinvar, zeig ihnen, wozu ein Meister-Jongleur imstande ist!«
»Nun ja, ich sollte tatsächlich in Übung bleiben ... außerdem ist es ja nur eine Probe.« Als der Gestaltwandler davonsprang, schickte Rheinvar die Jungen zu den leeren Sitzen im Theatersaal. »Das ist das große Finale. Schaut es euch von der ersten Reihe aus an. So etwas habt ihr noch nie zuvor gesehen.«
Mit seinem funkelnden weißen Anzug trat der Anführer der Jongleurs ins helle Licht mitten auf der Bühne. Paul beobachtete Rheinvars steife Bewegungen, die tiefen Atemzüge und die tranceartige Konzentration, als er sich auf eine große Anstrengung vorzubereiten schien.
Als der Mann sprach, erfüllte seine Stimme den gesamten Saal. »Und nun folgt unsere bislang spektakulärste Vorführung. Sie ist ein gefährliches Wagnis, das auf sieben Planeten verboten wurde – aber machen Sie sich keine Sorgen, denn für einzelne Mitglieder des Publikum ist das Risiko äußerst gering.«
Die Zuschauer reagierten mit vorsichtigem Gelächter. Bronso stieß Paul mit dem Ellbogen an und verdrehte die Augen.
Rheinvar stand wie ein Stein im Zentrum der Bühne, wo er tief durchatmete und die Augen schloss. Paul nahm ein seltsames Flimmern in seinem Sichtfeld wahr und spürte ein Kribbeln auf der Haut, doch er schüttelte diese Empfindungen ab. Ihm war etwas schwindlig, aber er konzentrierte seine Gedanken, wie er es von seiner Mutter gelernt hatte, um herauszufinden, was Rheinvar zu tun beabsichtigte. Schließlich wurde sein Blick wieder klar – und alles schien normal zu sein.
Sielto und die Gestaltwandler stellten sich beiläufig hinter Rheinvar auf der Bühne auf. Sie rührten sich nicht. Nur ihre Augen bewegten sich und blickten sich im Publikum um, bis in die hintersten Winkel des alten Theaters. Alles wirkte sehr ruhig.
Doch dann erschauderte Bronso an Pauls Seite und blinzelte, und sein Gesicht nahm einen seltsam verträumten Ausdruck an. Gleichzeitig schnappte das Publikum verblüfft nach Luft. Die Leute keuchten und bewegten sich wie in Wellen, als würde etwas Unsichtbares über sie hinwegschwappen. Doch Paul konnte nichts sehen.
Auf der Bühne hatten sich weder Rheinvar noch die Gestaltwandler gerührt.
Einige Zuschauer klatschten und jubelten, während sich viele auf ihren Sitzen drehten, um Dingen auszuweichen, die es gar nicht gab. Selbst Bronso pfiff begeistert. »Aber sie machen doch gar nichts!«, sagte Paul verdutzt.
Bronso streckte den Arm aus. »Schau, dort! Oh! Ich habe noch nie so tollkühne Sprünge gesehen. Sieh mal, wie geschickt und punktgenau die Artisten im Publikum landen – und wie sie die Gesichter zu Monsterfratzen verziehen. Sie sind einfach erstaunlich! Davon werden die Zuschauer noch lange Alpträume haben.«
Paul jedoch sah nur, wie sich Rheinvar angestrengt konzentrierte und hinter ihm die Tänzer gelassen und geduldig dastanden. »Aber ... sie stehen doch nur auf der Bühne und tun gar nichts!«
»Bist du blind und taub?« Wieder klatschte Bronso und sprang auf. »Bravo! Bravo!«
Schließlich hob der Anführer der Jongleurs den Kopf und öffnete die Augen. Die Gestaltwandler stürmten auf der Bühne vor und verbeugten sich unter dem donnernden Applaus der Zuschauer.
Dann verstand Paul. »Eine Massenhypnose des Publikums. Ich dachte, so etwas wäre nur ein Märchen.«
Der Meister-Jongleur rief die Jungen zu sich und nahm den Zylinder ab. »Was habt ihr gesehen und gehört? Wart ihr beeindruckt?« Er blickte von einem Jungen zum anderen.
»Wir waren beide sehr beeindruckt«, sagte Paul. »Aber aus unterschiedlichen Gründen.«
Bronso schwärmte von den Dingen, die er gesehen hatte, doch Paul musterte den eleganten Mann aufmerksam und sagte dann: »Sie haben mit dem Publikum gespielt, wie mit einem Musikinstrument. Sie haben Illusionen erzeugt und die Leute hypnotisiert. Sie haben das gesehen, was Sie ihnen vorgegaukelt haben.«
Rheinvar reagierte bestürzt auf Pauls Bemerkungen, doch dann lachte er leise. »Das hast du gesehen? Dann scheinen wir es hier mit einem sehr ungewöhnlichen Exemplar der Gattung Mensch zu tun zu haben, das sogar noch viel interessanter ist als ein Gestaltwandler.« Er klopfte Paul auf die Schulter. »Ja, es gibt einige wenige Menschen, die so etwas wie mentale Immunität besitzen. Die Jongleurs benutzen eine Technik der Resonanzhypnose, die große Ähnlichkeit mit dem hat, was die Bene Gesserit machen. Außer dass wir diesen Trick nur dazu einsetzen, die Wirkung unserer Vorführungen zu steigern.«
Bronso sah seinen Freund erstaunt an. »Ist das dein Ernst? Hast du wirklich nichts gesehen?«
»Er ist ein Meister-Jongleur. Du warst derjenige, der Dinge gesehen hat, die gar nicht vorhanden waren.«